Dialoge 2017: Komponist Miroslav Srnka (Foto havlik.vojtech@gmail.com) Dialoge 2017: Komponist Miroslav Srnka (Foto havlik.vojtech@gmail.com)
Alles außer gewöhnlich Stiftung Mozarteum

Dialoge 2017: Die Helden der Moderne zum Anfassen

Die Dialoge 2017 sind ein Festival mit Musik von Heute. Und dabei wird auch der Humor nicht zu kurz kommen.
Neue Musik und Comedy? Klangavantgarde im Mozarteum und elektronische Soundexperimente im republic? Pflege höchster Klangkultur kombiniert mit Extremsportlern und Weihnachtspunsch, Natur und Wissenschaft? Und das alles bei einem Festival zeitgenössischer Musik? Die Dialoge 2017 der Stiftung Mozarteum finden von 30. November bis 3. Dezember statt und sind ein Festival der gelebten Vielfalt auf höchstem künstlerischen Niveau.

Im Zentrum: Miroslav Srnka

Dialoge der Stiftung Mozarteum Dialoge der Stiftung Mozarteum
Der 42-jährige Komponist aus Prag hat ein Faible für Naturereignisse. Phänomene wie „Kälte“ faszinieren ihn. Gletscher, Frost- und Tauwetter oder Vogelschwärme, deren Formationen wie durch Zauberhand am Himmel entstehen, setzt Srnka in Musik um. Was macht diesen Mann, der von amerikanischen TV-Kultserien wie „Games of Thrones“, „Big Bang Theory“ oder Filmen wie „Star Wars“ ebenso beeinflusst ist wie von neurobiologischer oder interplanetarer Forschung für Salzburg so zwingend interessant?
Er gehört zu einer jungen Generation von Komponisten, die ihre Musik aus der Welt schöpfen, in der wir heute leben. Facebook, Smartphone, Flüchtlingswelle und Klima-Erwärmung inklusive. Srnka war in Salzburg noch nie zu erleben und man wird – so wie in München, Prag, Bregenz und vielen anderen Musikzentren auch – staunen über seine Phantasie, seinen selbstironischen Humor und vor allem über seinen überbordenden musikalischen Erfindungsreichtum.

Das Extreme in verschiedenen Facetten

In beinahe allen Konzerten der Dialoge 2017 gibt es Musik von Miroslav Srnka zu hören. „Dafür genügt es, sich einfach von der Musik mitnehmen zu lassen“, sagt Maren Hofmeister, die Künstlerische Leiterin der Stiftung Mozarteum. „Für zeitgenössische Musik muss man keine musiktheoretischen Bücher gelesen haben. Wer Bereitschaft und Offenheit mitbringt, der wird unsere Klang-Kosmen sinnlich erleben.“ Und ein wenig Vorstellungsvermögen kann auch nicht schaden, wenn die erwähnten „Naturphänomene“ in den musikalischen Dialog treten.
Auch das Rundherum fühlt sich heuer anders an. Das Festival-Format „Konzert“ wurde entschlossen erweitert. So geht es los mit einem Talk, bei dem der Kabarettist und Mitbegründer des Salzburger Kriseninterventionsteams Ingo Vogl und Extrembergsteigerin Helga Hengge im Gespräch mit Moderatorin Annekatrin Hentschel Einblicke in ihre Erfahrungen mit dem Extremen geben. Das führt direkt in das Thema des Eröffnungskonzerts. Denn hier trifft Arnold Schönbergs „Erwartung“ auf „My Life Without Me“ von Srnka. Das bedeutet: zwei Frauen in Extremsituationen, zwischen Leben und Tod, Krankheit und Untreue, gebeutelt von starken Gefühlen. Die werden auf der „Dialoge“-Bühne von der großen Laura Aikin in Klang verwandelt.
Die Sopranistin gehört zu den international gefragtesten Solistinnen. Sie singt nicht nur tragende Mozart-Rollen in den größten Opernhäusern der Welt. Sie hat sich wegen ihres unglaublichen Tonumfangs von drei Oktaven als eine der führenden Interpretinnen für Neue Musik etabliert. Dieses „Leben ohne mich “ wird auch im „Dialoge-Kino“ gezeigt. Bei Popcorn und Getränken gibt es im Wiener Saal den Film „My Life Without Me“ von Isabelle Coixet zu sehen, welcher die Grundlage für Srnkas Komposition lieferte. Ebenfalls auf der Leinwand am Abschlusstag: der grandiose „Amadeus“ von Srnkas Landsmann Miloš Forman.

Was ist ein Postkartenkonzert?

Bekanntlich hat Mozart haufenweise Briefe geschrieben, die vor Witz und Blödelei nur so strotzen. Miroslav Srnka hat sich ebenfalls mit den heute längst altertümlich-analogen Kommunikationsmitteln beschäftigt und zwar mit Postkarten von Jurek Becker. Der vielgereiste Autor schrieb diese kleinen Notizen gespickt mit zauberhafter Nonsens-Poesie an seinen kleinen Sohn. Srnka hat daraus Lieder gemacht, die zusammen mit Mozarts Liedern und Briefen in einer musikalischen Lesung von Burgschauspieler Markus Meyer die Hauptrolle spielen.
Science Busters (Foto Büro Alba) Science Busters (Foto Büro Alba)
Die Science Busters, diese Comedy-Truppe rund um Martin Puntigam im Programm der Stiftung Mozarteum zu finden, überrascht selbst eingefleischte Anhänger pfiffig-experimenteller Musikvermittlung. Die Science Busters – erst vor wenigen Wochen mit dem begehrtesten Kabarettpreis im deutschsprachigen Raum, dem „Salzburger Stier“ ausgezeichnet– haben sogar ein eigenes Programm für die „Dialoge“ zusammengestellt.

Von den Grandbrothers zum Grand Finale

Grandbrothers (Foto Tonje Thilesen) Grandbrothers (Foto Tonje Thilesen)
Davor aber wird es noch richtig modern und zwar nach Art der gepflegten Lounge-Kultur. Das kreative Elektro-Klangtüftler-Duo Erol Sarp (Klavier) und Lukas Vogel (Elektronik), bekannt als die „Grandbrothers“, bringen ihren Sound zu später Stunde ins republic. Mit präpariertem Klavier vermischt mit Electronics versprechen die beiden Klangmagier ein Konzert in entspannter Lässigkeit.
Außerdem wird das Publikum bei den „Dialogen“ dem „Quatuor Diotima“ begegnen, einem Streichquartett, mit dem Miroslav Srnka eine jahrelange enge Zusammenarbeit verbindet. Diese Musiker aus Frankreich haben nicht nur Srnkas Kompositionen, sondern auch Werke von Helmut Lachenmann, Enno Poppe oder Brian Ferneyhough uraufgeführt. Das Münchener Kammerorchester kommt mit Chef-Dirigent Clemens Schuldt, um Srnka, Dvořák und Mendelssohn Bartholdy zu spielen.
Die drei Komponisten zeichnen in ihren Werken Landschafts- und Himmels-Stimmungen von böhmischer Sonne, über die schottischen Hebriden bis hin zum Eis des Nordpols nach. Und wenn der iranisch-amerikanische Cembalist Mahan Esfahani die Bühne betritt, dann wird einer der „schrägsten“ und durchaus umstrittensten Meister dieses Instruments Musik von Srnka, Mozart, Cardew und Bach vereinen.
Quatuor Diotima (Foto Jérémie Mazenq) Quatuor Diotima (Foto Jérémie Mazenq)
Am Ende dieses Festivals zum Anfassen gibt es schließlich, wie könnte es anders sein, einen (musikalischen) Dialog des Abschiedsnehmens zwischen Srnka und Mozart. Srnkas „Les Adieux“ ist eine Hommage an den Abschied, an Verlust und Schmerz. Dieses Dvořák gewidmete Stück leitet über zum Grand Finale, das die “Dialoge“ seit ihrer Gründung im Jahr 2006 beschließt: Mozarts „Requiem“ zu dessen Todestag, heuer unter der Leitung von Pablo Heras-Casado, mit dem Mozarteumorchester Salzburg, dem Bachchor und den vier Solisten Mari Eriksmoen, Michaela Selinger, Peter Sonn und Matthias Winckhler.

DIALOGE

Musik von Heute
30.11. – 3.12.2017 Karten von € 14,- bis 45,- im Kartenbüro der Stiftung Mozarteum Theatergasse 2, 5020 Salzburg Tel. +43 (0) 662 87 31 54 tickets@mozarteum.at
 
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