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Kulinarikfestival eat&meet: Vegourmets I Eine Stadt isst grün

Dieses Jahr steht das Kulinarikfestival eat&meet ganz im Zeichen von Vegourmets. Die Gastronominnen und Gastronomen der Altstadt zaubern aus hochwertigen Zutaten kreative pflanzliche Genüsse.

„Auch ein Apfel kann spannend sein“

Die Zukunft der österreichischen Kulinarik liege in der liebevollen Zubereitung von Gemüse und Obst, sagt Hanni Rützler. Sie erforscht Food Trends und hat den Begriff „Vegourmets“ entwickelt. Sie ist überzeugt, dass der Bedarf an kreativen pflanzlichen Gerichten immer größer wird. Wir haben Hanni Rützler für eat&meet 2023 interviewt.

eat&meet: Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit sind nur zwei Gründe, warum viele Menschen nicht oder nicht ausschließlich Fleisch essen wollen. Aber was hat die österreichische Küche jenseits von Schnitzel und Schweinebraten überhaupt zu bieten?

Hanni Rützler: Das hängt davon ab, wo man wohnt. In Wien habe ich eine riesige Vielfalt an internationalen Küchen. Da kann man, wenn man sich pflanzlich ernähren will, aus dem Vollen schöpfen. In Salzburg, überhaupt in den touristischen Gebieten, ist die Gastronomie traditionell sehr fleischorientiert. Da gibt es einen starken Fokus auf die k. u. k. Küche. Aber auch hier ist man sich bewusst, dass viele Menschen nicht immer Fleisch essen wollen.

eat&meet: In den Speisekarten traditioneller Restaurants spielen vegetarische Gerichte kaum eine Rolle…
Hanni Rützler: Genau, meistens gibt es Vegetarisches nur in Form von Beilagen oder Gebackenem. Hier fehlen oft noch attraktive Alternativen. Es gibt aber schon einige junge Köchinnen und Köche, die sehr engagiert das vegetarische Potenzial der österreichischen Küche erkunden.

 

„Das Fleisch hat seine Poleposition eingebüßt“

eat&meet: Woher kommt dieser Fokus auf Fleisch? Zu Großmutters Zeiten kam schließlich auch nur einmal pro Woche ein Braten auf den Tisch.

Hanni Rützler: Der alpine und voralpine Raum war traditionell eine Getreide-Milch-Landschaft und lange Zeit von Armut geprägt. Fleisch war in unserem Kulturraum über Jahrhunderte etwas Rares, Teures. Es war als Alltagsspeise nur den höheren sozialen Schichten vorbehalten. Nach dem Krieg – in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern – ging es los mit der Industrialisierung der Landwirtschaft: Futtermittel wurden importiert, es gab eine Umstellung auf ertragreichere Rassen. Auch die Haltungsbedingungen haben sich geändert. Heute gehen weltweit etwa 40 % der Weizenernte ins Tierfutter. Diese Intensivierung der Tierhaltung hat dazu geführt, dass sich alle Teile der Gesellschaft Fleisch leisten können. In den letzten paar Jahren hat Fleisch aber seine Poleposition wieder eingebüßt. Jetzt fehlt uns nur oft die Fantasie, was wir essen könnten, wenn wir das Fleisch weglassen.

„Kräuter sind das Um und Auf in der Gemüseküche“

eat&meet: Vor allem junge Menschen essen lieber vegetarisch oder vegan. Ist Gemüse nur was für junge Leute?

Hanni Rützler: Ja, die Entwicklung zu Plant-Based-Eating wird vor allem von jüngeren und urbanen Gruppen angeführt. Aber mit Vegourmets sind nicht nur Veganer oder Vegetarier gemeint.Es geht dabei um alle Menschen, die das große kulinarische Potenzial pflanzlicher Ausgangsprodukte auskosten wollen. Auch in den regionalen Küchen Österreichs gibt es Vieles zu entdecken, das sich noch weiterentwickeln lässt. Vielleicht gibt es eine spannende Gemüsepfanne oder ein leckeres Ofengericht – und das kann man dann mit und ohne Steak oder Geflügel essen. Vegourmets stehen für Genuss und einen wertschätzenden Umgang mit pflanzlichen Produkten. Wichtig dabei ist die Suche nach neuen Rezepten. Es geht auch um einen liebevollen Blick auf Salate und Kräuter. Kräuter sind so wahnsinnig wichtig in der Gemüseküche.

„Bei Vegourmets spielt das Gemüse die Hauptrolle“

eat&meet: Was brauchen wir, damit diese neue, kreative Gemüseküche mit regionalen Produkten gelingt?

Hanni Rützler: Neugierde, Fantasie und ein bisschen Mut – bei Köchen wie bei Gästen. Es gibt sehr viele Kohl-Arten und viel gutes Lagergemüse. Daraus lassen sich auch im Winter wunderbare Gerichte zaubern. Es gibt nicht nur Karotten, Zwiebeln und Sellerie. Viele Salate gedeihen im Winter im Glashaus, ohne Heizung. Eine andere spannende Entwicklung sind die sogenannten „Local Exotics“. Das ist ein Trend, der durch den Klimawandel und durch neue Technologien angeschoben wird. Das heißt, dass wir regional Garnelen züchten können. Wir können Reis anbauen, Artischocken oder Zitronen – alles Produkte, die früher importiert werden mussten. Eine Erfolgsgeschichte ist zum Beispiel der Ingwer, der regional gezogen und jung geerntet sensationell schmeckt. Das heißt, Regionalität entwickelt sich auch weiter.

eat&meet: Eigentlich gibt es keinen Grund, dass wir uns langweilen beim Essen?

Hanni Rützler: Nein, überhaupt nicht. Wir müssen schauen, was in Salzburg wächst, welche Möglichkeiten wir haben. Wer die innovativen Bauern und Gärtnereien sind. Es geht auch um Kräuter und um Obst. Sogar ein Apfel kann spannend sein. Man muss wissen welche Sorte – und wie man sie einsetzt. Im Dessert- und im Saft-Bereich findet sich viel für Vegourmets. Bei den Pilzen gibt es großartige Produzenten. In Österreich gibt es 4500 verschiedene Pilzsorten. Nicht alle sind essbar, aber es sind viele essbare dabei. Wenn man mit pflanzlichen Gerichten punkten will, muss man über das Getreidelaibchen hinausdenken. Von diesem Image müssen wir weg.

„Wir müssen wegkommen vom Image des Getreidelaibchens“

eat&meet: Vielen Menschen geht es beim Essen auch um Nachhaltigkeit. Leckere Avocados aus Mexiko oder Paprika aus der Türkei passen da eigentlich nicht ins Bild. Auch Milchersatzprodukte z.B. aus Soja sind nicht so gut wie ihr Ruf.

Hanni Rützler: Es gibt Donau-Soja und sehr viele österreichische Bio-Soja-Produzenten. Da muss man ein bisschen differenzieren. Paprika wächst auch im Burgenland. Hülsenfrüchte haben eine lange Tradition. In den österreichischen Küchen gibt es noch zu wenige Rezepturen, um sie kulinarisch überzeugend zuzubereiten. Nur mit Salz und Pfeffer ist es wirklich ein bisschen fad. Da lohnt sich ein Blick in Kochbücher anderer Länder.

„Die hohe Schule der Gemüseküche kommt ohne Fleischersatzprodukte aus“

eat&meet: Im Food Report 2015 schreiben Sie: „Die hohe Schule der Gemüseküche kommt ohne Fleischersatzprodukte aus.“ Was spricht dagegen, Fleisch durch Fleischersatzprodukte zu ersetzen?

Hanni Rützler: Der Großteil der Fleischersatzprodukte kommt von der Nahrungsmittelindustrie. Aber für die Gastronomie sehe ich da ein Problem. Jeder kann diese Produkte im Supermarkt kaufen, da stellt sich die Frage, warum man überhaupt noch ins Restaurant geht. In manchen kulinarischen Bereichen ist das kein Problem, aber wenn ich in Salzburg essen gehe, dann erwarte ich, dass es frisch ist und kein Convenience-Produkt.

Kurzbiografie Hanni Rützler

Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrendforscherin, Wien

Mit ihrem multidisziplinären Zugang zu Fragen des Ess- und Trinkverhaltens hat sich Hanni Rützler über Österreichs Grenzen hinaus einen Namen als führende Foodtrendforscherin gemacht. Als Referentin auf Tagungen und Kongressen, als erfahrene Leiterin von Workshops sowie als Ernährungsexpertin in Fernsehen und Printmedien wird sie vor allem wegen ihrer Qualitäten als Vermittlerin zwischen Theorie und Praxis sehr geschätzt. Sie versteht es, die unterschiedlichen „Logiken“ von Gastronomie und Landwirtschaft, von Gesundheitspolitik und Lebensmittelindustrie, von Ernährungswissenschaft und Konsumenten profund zu vermitteln und damit Food&Beverage-Unternehmen wichtige Impulse für innovative Entwicklungen zu geben.

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