Jazz & The City 2019: 5/8erl in Ehr’n | © Astrid Knie Jazz & The City 2019: 5/8erl in Ehr’n | © Astrid Knie
Young, Art & Urban Klaus von Seckendorff

Jazz & The City: Coole Sounds aus Wien

Festival Jazz & The City: 16.-20. Oktober 2019 in Salzburg
In Salzburg ist man sich durchaus bewusst, dass es noch andere Hochburgen hörenswerter Musik im Lande gibt. Wien zum Beispiel soll gar keinen schlechten Ruf haben. Dem (dem folglich und zu Recht GUTEN) folgte Tina Heine, künstlerische Leiterin von Jazz & The City, indem sie für 2019 auffällig viele Protagonisten der dortigen Jazzszene nach Salzburg bat. 

Wiener Soul

Was den Bekanntheitsgrad anbetrifft, wäre da zuallererst 5/8erl in Ehr’n zu nennen. Keine Band für die Jazzpolizei, aber bei der hat man Jazz & The City sowieso längst unter Generalverdacht. „Wiener Soul“ konnte sich als Etikett durchsetzen für das Quintett mit den beiden Sängern, die’s im Sitzen tun. Und obendrein im landesüblichen Dialekt. „Siasse Tschick“ wird von deutschsprachigen Ausländern gerne und in aller Slang-Unschuld nicht als Rauchbares, sondern – das „Ts“ ignorierend – als „junges, weibliches Wesen von angenehmer Gestalt“ gedeutet.

Dass das aktuelle Album „Der Duft der Männer“ heißt, möge solchen Missverständnissen  entgegenwirken. Die besungenen neuen Männer duften übrigens zu fünf Achteln eher wie Singer/Songwriter als nach Wiener Soul. Das hat zum Glück nicht dazu geführt, dass Clemens Wenger als ausgewiesenes „Jazzfünfterl“ der Band von den Tasten abgesprungen wäre.

Wenger, Wenger – das ist doch der…?

Ganz richtig, jener von ebenjener JazzWerkstatt Wien, der Jazzpolizisten gerne einen Kontrollbesuch abstatten – und erstaunlich wenig zu beanstanden finden. Ihre Nähe zur Werkstatt teilen die Achterl übrigens mit zwei Bands, in denen ein und die selbe Sängerin eine wichtige, wenn nicht die Hauptrolle spielt. Als Mira Lu Kovacs wird sie in Salzburg mit einem Trio auftreten, das sich bis vor kurzem noch Schmieds Puls nannte.

Erhalten bleiben möge doch bitte trotz der Umbenennung, dass hier gewaltiger Grant zu Poesie geschmiedet wird. Mira fühlt sich mißverstanden, wenn jemand aus einem ihrer Songs anderes heraushört: „Mir ist aufgefallen, die meiste Zeit bin ich wütend. Das merkt man auch in den Texten, aber das Gemeine ist, dass man es nicht immer gleich hört.“ (Interview Kulturwoche) Merken auch beim Hören – man darf gespannt sein.
 

Groovige Popappeals

Entspannter gerät das Hören folglich bei Miras zweiter Band 5K HD. Die spielt zwar wunderschön anstrengendes, komplexes Fusionzeug, virtuos und vertrackt, für das man aber dank Popappeal und aberwitzigen Grooves kein Jazzfreak sein muss. In dieser nicht ohne guten Grund als „Supergroup“ geführte Formation nimmt Sängerin Mira eine coole Rolle ein, die statt persönlichen Emotionen eher zeitgemäße Bühnentauglichkeit signalisiert. Am Schlagzeug sitzt neuerdings statt Lukas König der von Fabian Rucker 5 (ebenfalls gebucht!) und Namby Pamby  Boy (2017 dabei) vertraute Andreas Lettner. Und Lukas König, eigentlich immer und überall dabei, trommelt nun dauerhaft bei „Bilderbuch“.

5K HDs Bassist Manu Mayr ist – wie auch Mira und Lukas – in Wien aufs outputstarke Musikgymnasium gegangen, und das tat auch Lisa Hofmaninger, bei der sich die Höhen ihres Sopransaxophons und die Tiefen ihrer Bassklarinette wunderbar ergänzen. Lisa geriet dann aber stärker ins Umfeld der beim Output auch nicht schwächelnden Anton Bruckner Privatuniversität. Lisa und ihre Duopartnerin Judith Schwarz, Schlagzeugerin und als Tochter der Bassisten Gina Schwarz verschärft jazzverdächtig, verbrachten ihre Erasmusjahre zwar getrennt in Basel und Paris, gründeten anschließend aber 2016 mit einschlägig Verdächtigen eine Brutstätte kreativen Nachwuchses namens Little Rosies’ Kindergarten.

Klangerfinderisch, wild und einfühlsam zugleich

Zwei von Lisa und Judith ins Leben gerufene Bands haben sich bereits in Salzburg bewährt: 2014 „chuffDRONE“ und drei Jahre später „First Gig Never Happened“. „Warum laden wir diesmal nicht einfach den ganzen Kindergarten ein, vielleicht sind die ja alle so vielseitig und experimentierfreudig“ – dachte sich das Programmteam und setzte nicht nur aufs „Gebläse und Geschläge“-Duo Hofmaninger/Schwarz, sondern zudem auf die komplette 13er-Bande mit dem infantile Erwartungen weckenden Namen. „Klangerfinderisch, wild und einfühlsam zugleich“: diese ergiebige Mischung kann man sowohl der kleinen als auch der großen Besetzung nachsagen, wobei die Duotätigkeit naturgemäß etwas übersichtlicher ausfällt, aber deshalb nicht weniger spannend.

Nicht unterschlagen werden soll hier ein wien-affines „Art Pop/Jazz Orchestra“ namens Echo Boomer, das erwähnte Quintett um Fabian Rucker oder der als „Co-Kurator Public Space“ involvierte Oliver Hangl, aber diesen Text in halbwegs blogtauglicher Länge zu halten ist für einen dem Festival und all seinen Musikern freundschaftlichst verbundenen Tschusch eh ka gmahde Wiesn. Sei’s drum, let’s chill, habe die Ehre!

Jazz & The City: 5 Tage. 30 Bühnen. 70 Konzerte. Freier Eintritt.
Zum Programm von Jazz & The City 2019.

Sie möchten über neueste Blog-Einträge per E-Mail informiert werden?
Dann melden Sie sich hier an.