Jazz & The City: Weltklasse
Man kann es Weltmusik nennen oder gerade nicht. Hauptsache man genießt die Musik aus West- und Ostafrika, Israel, Bosnien oder gut zwanzig anderen Nationen die heuer das Festival „Jazz & The City“ von 16.-20. Oktober 2019 bereichern wird.
„All music is folk music“, meinte Jazz-Übervater und Trompeten-Gott Louis „Satchmo“ Armstrong so provokant wie postkartentauglich. Sein Argument: Folk benenne schlicht „Menschen“ und er habe „noch nie erlebt, dass ein Pferd ein Lied singt“. Mit diesem Zitat kann man sich auch noch in unserer Genre-unmutigen Zeit, in der Diversität oft als Zeichen von Authentizität gilt, bequem aus der Schublade manövrieren. Trotzdem gelten Musikrichtungen nach wie vor als Orientierung, je wilder die Mixtur desto besser.
Die „Modern Day Miriam Makeba“
Früh fragte sich die Sängerin und Songwriterin Somi, was genau denn Begriffe wie „Jazz“ oder „afrikanische Musik“ bedeuten. Kann man ein Genre, das von Swing über Bebop bis zu freier Avantgarde und frickeliger Fusion reicht, noch als solches begreifen? Wo sind die Ähnlichkeiten zwischen grundverschiedenen Musiken des afrikanischen Kontinents wie etwa Congo Rumba, Highlife oder Afrobeat? Im amerikanischen Illinois als Tochter von Immigranten aus Ruanda und Uganda geboren, macht die „Modern Day Miriam Makeba“, wie sie oft genannt wird, mit Alben wie „The Lagos Music Salon“ oder „Petit Afrique“ auf sich aufmerksam.
Auf Letzterem schlängelt sie ihre Wunderstimme auch um Stings „Englishman in New York“, das bei ihr düsterer und schlichter klingt und „Alien“ heißt. Im Frühjahr 2020 erscheint ihr neues Album „Dreaming Zenzile“, eine Widmung an Miriam Makeba, von dem sie sicherlich auch schon Kostproben geben wird. In ihrer Band finden Freunde des Festivals einen (nicht besonders) alten Bekannten: Gitarrist Hervé Samb war bereits im letzten Jahr mit seiner eigenen Band zu Gast in Salzburg.
Malis größter Popstar
„Habib Koité lässt sich Zeit“ ist einer der ersten Sätze, die einem auf der Website des Sängers und Gitarristen aus Bamako begegnen. “Malis größten Popstar” hat ihn Rolling Stone genannt, und die New York Times schreibt: "Sein Ruf als Gitarrist ist beinahe mystisch, er kombiniert Rock - und Klassik-Techniken mit Moods aus Mali, die die Gitarre wie eine Kora oder N'Goni klingen lassen." Auch in Europa ist er beliebt und bekannt, am Abend vor seinem Festivalauftritt tritt er im Pariser „New Morning“ auf.
Sein neues Album „Kharifa“ erscheint gut einen Monat vor unserem Festival – es ist, darauf bezieht sich der Eingangssatz, erst sein sechstes in knapp 25 Jahren Karriere. Im Titelstück thematisiert er Verantwortung – familiär, national, nachbarschaftlich. eine sanfte Stimme und die schönen Melodien nutzte der Griot gerne für den musikalischen Botschaftstransport. Im Song „Yaffa“ vom neuen Album heißt es: „Ignoranz ist eine Quelle der Intoleranz, sich anderen gegenüber zu öffnen ist eine Quelle der Toleranz, der Akzeptanz unserer Unterschiede.“
Dudu Tassa & The Kuwaitis
Ausgerechnet Tel Aviv. Die israelische Mittelmeermetropole beheimatet seit mehreren Generationen Superstars der arabischen Musik. Saleh und Daud Al-Kuwaity waren Hofmusiker im Irak, bis in die 50er Jahre als sie aufgrund ihres jüdischen Glaubens nach Tel Aviv flohen, wo sie in relativer Unbekanntheit lebten. Nur noch nebenbei, abends und in der Freizeit machten sie Musik. Ihren eigenen Kindern verboten sie überhaupt ein Instrument zu lernen. Die alten Lieder der Kuwaitis, aufgenommen in Kuwait und Bagdad, sind trotzdem noch heute im arabischen Raum populär.
Fast Forward in das 21. Jahrhundert: Als Salehs Enkel, der inzwischen selbst zum Popstar avancierte Dudu Tassa, von der Musik seines Großvaters Wind bekam – erst spät, Anfang 20 – beschäftigte er sich intensiv mit den alten Aufnahmen, sezierte sie schließlich und nahm neue, eigene, rockige Versionen auf. Mit seiner Band, die er in Gedenken an seine Ahnen auch „The Kuwaitis“ nennt, trat er bereits im Vorprogramm von Radiohead auf deren US-Tour auf – jetzt bringen Dudu Tassa & The Kuwaitis ihre neuen alten Lieder erstmalig nach Österreich.
Ist das Weltmusik? Oder gar Jazz? Ambivalenz ist hier ratsam, auch musikalisch. Zum Glück finden sich internationale Einflüsse fast überall bei Jazz & The City. So sagt man dem dynamischen Prog-Rock-Jazz des finnischen Gitarristen Jarmo Saari ebenso „Nordisches“ nach, wie der Musik seines Instrumentenkollegen Stian Westerhus. Die Musik von diALOG, dem Trio Keita Brönnimann Niggli und Hejira hat wieder afrikanische Bezugspunkte, beim Duo LUME mit Merima Kljuco und Jelena Milusic werden bosnische Chansons zelebriert. Aber so offensichtlich und eindeutig kann man Nationalitäten und Klänge nicht immer zusammenbringen. Ob beispielsweise die Gruppe Silent Witness in irgendeiner Art polnisch-französisch-japanisch klingt, wird jede Hörerin selbst entscheiden müssen. Am besten hält man es mit Louis Armstrong. Folk Music passt immer. Auch im Jazz.