Dr. Ursula Maier-Rabler (Foto Susanne Reisenberger-Wolf) Dr. Ursula Maier-Rabler (Foto Susanne Reisenberger-Wolf)
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Visionärin der Altstadt: Dr. Ursula Maier-Rabler im Interview

Im Interview: Dr. Ursula Maier-Rabler, stv. Leiterin der Abteilung Center for Information and Communication Technologies & Society an der Universität Salzburg und Co-Gründerin der Internetagentur nikt online communication

Warum sind „Balanced Cities“ (vor allem ökonomisch) reichere Städte?

Weil Ausgewogenheit immer ein breiteres Fundament darstellt. Die Salzburger Altstadt sollte also in diesem Sinne für alle StadtbewohnerInnen und BesucherInnen gleichermaßen „benützbar“ sein. Und darunter verstehe ich Attraktivität, Aufenthaltsqualität, Nützlichkeit, Erlebnishaftigkeit, aber auch Praktikabilität. Und diese Eigenschaften sollte die Altstadt für möglichst viele Bevölkerungsgruppen besitzen. Auch weniger kaufkräftige Gruppierungen sollen in ihrer Altstadt einen Platz haben. Gerade das zufällige Zusammentreffen unterschiedlichster Lebensformen und –stile macht so etwas wie Urbanität aus, etwas, wodurch sich Innenstädte von Einkaufszentren unterscheiden. Was dabei noch wichtig ist: die Vorstellung über die Benützbarkeit der Altstadt entsteht in den Köpfen der potentiellen Benützer und ist zudem von Vorurteilen und singulären Erlebnissen geprägt. Da hilft oft kein besserwisserisches oder trotziges, „aber wir sind doch eh für alle da“.
Warum ist es für die Stadt Salzburg so wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?
Vielleicht wegen dieser heterogenen Vorstellungen, die in Salzburg meiner Meinung nach besonders stark auseinanderklaffen. Der Spagat zwischen hochkultureller Barockstadt mit internationalem Ruf und einer Aufenthaltsqualität für StudentInnen, die nach gratis WLAN und Studentbeisln Ausschau halten, ist halt schwierig zu vollbringen. Viele SalzburgerInnen sind der Meinung, dass es in der Altstadt für sie im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu holen gibt, es kompliziert ist (Praktikabilität) und die Innenstadt sowieso an kaufkräftigen KonsumentInnen oder Touristen orientiert ist. Umgekehrt wollen die (Massen)TouristInnen eine leicht konsumierbare Stadt, mit wiedererkennbaren Marken (z.B. Food Chains, internationalen Labels) und schnell identifizierbaren Souveniers. Hier eine Balance zu erreichen, eine ausgewogene Begegnungsstätte für viele unterschiedliche Menschen, würde die Altstadt einerseits von singulären Einbrüchen und Krisen unabhängiger machen und den BesucherInnen der Salzburger Altstadt mehr urbanes Erlebnis vermitteln. Letztendlich jedoch steht der Begriff einer „Balanced City“ dafür, dass wenn sich „alle“ wohlfühlen, geht es auch „allen“ besser und Konflikte werden geringer.
Die Salzburger Altstadt ist ein bedeutender Universitätsstandort, wo sehen Sie hier noch Weiterentwicklungsmöglichkeiten?
Das Konzept der Altstadtuniversität stammt aus den späten 70er Jahren, als eine Salzburger Campusuniversität in Freisaal leider verhindert wurde. Ich sage leider, weil es nicht wirklich gelungen ist, die Universität als selbstverständliches Element in der Salzburger Altstadt zu positionieren. StudentInnen und MitarbeiterInnen der Universität sind zwar als KonsumentInnen willkommen, aber die Altstadt und auch nicht die Gebäude der Altstadtuniversität bieten den Studierenden so etwas wie Aufenthaltsqualität. Wo ist das flächendeckende gratis WLAN, wo gibt es Plätze, wie sich auch etwas größere StudentInnengruppen zum gemeinsamen Arbeiten nach den Vorlesungen und Seminaren treffen können? Die Uni-Gebäude beherbergen die Hörsäle und Seminarräume sowie die Mitarbeiterbüros, aber nach den Lehrveranstaltungen zieht es die Studierenden wieder nach Hause in ihre Wohnungen oder Studentenheime. Ich könnte mir vorstellen, dass in den ersten und zweiten Stockwerken der Altstadt, die für Geschäfte nicht attraktiv und zum Wohnen zu dunkel sind, Co-Workingspaces für Studierende entstehen, eine Kombination aus urbanen Cafés und Beiseln und Gruppenarbeitsmöglichkeiten für StudentInnen. Dadurch würden die Studierenden zwischen den Lehrveranstaltungen in der Altstadt bleiben, eine bessere Identifikation mit Salzburg ausbauen, eine studentische Nachfrage erzeugen, die vielleicht für einige Branchen interessant sein könnte, und ganz generell für eine vielfältigere, urbanere Altstadt sorgen.
Was sind die Kommunikationsformen und -technologien der Zukunft und wie sind diese für die Altstadt nutzbar?
WLAN habe ich ja schon erwähnt. Ich verstehe es immer noch nicht, warum es in der Salzburger Altstadt, in allen Parks, Geschäften, Cafés etc. noch kein schnelles gratis WLAN gibt. Das ist zunächst die Grundlage für viele weitere, zum Teil noch in Entwicklung begriffenen digitalen Kommunikations- und Informationstechnologien in Städten. Neben Orientierungshilfen durch standortbezogene Web-Anwendungen bietet vor allem das sensorgesteuerte „Internet of Things“ ganz neue Möglichkeiten, die Umgebung zu „erleben“. Häuser sprechen zu uns und sagen uns, was sich hinter den Mauern verbirgt. Museen und Shops können gleichermaßen um BesucherInnen werben und diese können sich ihren Altstadtbesuch bereits im vorhinein besser planen. Sei es, dass man herausfinden kann, ob das Lieblingsgeschirrgeschäft genau diesen Teller lagernd hat, ob es im Schanigarten des angesagten Lokals einen Platz gibt oder um sich beim Altstadtfriseur einen Termin einzutragen. Aber auch unmittelbar beim Schlendern durch die Gassen erfahre ich (wenn ich das möchte!), welche aktuellen Schnäppchen mich nach der nächsten Ecke erwarten.
Wie sieht Ihrer Meinung nach das Shoppingverhalten der Zukunft aus und welchen Stellenwert nimmt dann der stationäre Einzelhandel ein?
In unserer sogenannten „Multioptionalen Gesellschaft“ wollen wir uns immer weniger festlegen lassen, wie, wo und wann wir konsumieren bzw. shoppen. Es ist ein Unterschied, ob ich in Urlaubslaune durch die Salzburger Altstadt spaziere und mich von Schaufensterinspirationen zum Kauf eines hübschen Kleids anregen lasse oder ob ich vor oder nach Büroschluss noch für den Wochenendausflug eine Outdoorjacke brauche und die ich dann abends im Onlineshop erstehe. Manchmal brauche ich ein ganz bestimmtes Buch und bestelle es im Online-Handel und ein anderes Mal genieße ich es im Bücherregal der Buchhandlung zu schmökern. Wenn ich dabei noch eine tolle Sitzgelegenheit habe und eine Kaffee genießen kann, umso besser. Diese Situation stellt sicher eine Bedrohung für den klassischen stationären Handel dar, wenn die gleichzeitig vorhandenen Chancen nicht ergriffen werden. Obwohl zum Beispiel das online Shoppen grundsätzlich die Möglichkeit bietet, das ganz spezielle Angebot zu finden und gegenüber Konkurrenzprodukten einen Preisvergleich zu starten, haben immer weniger Menschen die Zeit zu dieser nicht unaufwändigen Form des Einkaufes. Wenn mir der stationäre Handel das Gefühl gibt, die Vorteile des online Shoppens (gute Information, breite Auswahl, guter Service, Zustellung etc.) mit jenen des direkten Einkauferlebnisses in der Salzburger Altstadt kombinieren zu können, dann gewinnt längerfristig die Erlebnisorientierung.
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