Das Augustiner Bräustübl – Teil der Salzburger Lebenskultur
An warmen Tagen liegt ein Rauschen in der Luft. Tausend Stimmen ergeben einen heiteren Klangteppich, gedämpft durch ein dichtes Dach aus Kastanienlaub. „Ich höre schon des Dorfs Getümmel. Hier ist des Volkes wahrer Himmel“, lässt Goethe seinen Faust beim Osterspaziergang sagen.
Doch der Weintrinker Goethe kannte das Augustiner Bräustübl im Salzburger Stadtteil Mülln nicht. Er hat etwas verpasst. Seit 1621 wird hier ein süffiges Bier gebraut und ausgeschenkt. Rund 1.400 Sitzplätze stehen im Garten unter den alten Kastanienbäumen zur Verfügung. In den Gaststuben sind es nochmals 1.100 Plätze. Damit ist das Bräustübl mit dem Wiener Schweizerhaus der größte Wirtshausbetrieb Österreichs. Der Altabt des Stiftes Michaelbeuern, Abt Nicolaus Wagner, gibt als geschäftsführender Gesellschafter die Richtung vor: „Die Tradition bewahren und das Neue kraftvoll hinzufügen.“ Das ist eine große Herausforderung für den Leiter des Bräustübels, Rainer Herbe, dem der Abt 2007 das Bräustübl anvertraut hat. „Eigentlich soll alles so bleiben, wie es ist,“ sagt er im Gespräch, „aber wir scheuen auch nicht vor großen Schritten zurück, die das Bräustübl auf einem zeitgemäßen Stand halten.“
Es ist genau diese Haltung, die verhindert, dass ein Traditionsbetrieb zum verstaubten Museum wird.
Der größte Schritt in den vergangenen Jahren war die Einbettung des historischen Marmorsaals aus dem Salzburger Hauptbahnhof in das Bräustüblareal. Die Einrichtung wurde sorgsam entfernt und in Bischofshofen zwischengelagert. Bis Rainer Herbe eine zündende Idee kam: „Wir integrieren den Marmorsaal in das Bräustübl.“ Für die kostbaren Wandverkleidungen, die Leuchter, die Gemälde wurde ein neuer Saal geschaffen, heute Abt-Nicolaus-Saal genannt. Das war keine Kleinigkeit: Dafür musste im Hof des ehemaligen Klosters unter schwierigen Bedingungen erst einmal Platz geschaffen werden. Aber es hat sich gelohnt.
Rainer Herbe, dem der Abt Nicolaus im Jahr 2007 das Bräustübl anvertraut hat, ist ein echtes „Müllner Kind“: In Mülln im Jahr 1961 geboren, seit 34 Jahren im Müllner Bräustübl tätig, wohnt immer noch hier. Er ist für 30 Mitarbeiter im Stübl verantwortlich. Die Brauerei leitet Braumeister Hansjörg Höplinger. Zur Brauerei gehören auch die drei historischen Wirtshäuser Krimpelstätter, Bärenwirt und der Kirchenwirt in Perwang. Rund 12.000 Hektoliter Bier werden jährlich gebraut, davon geht gut die Hälfte „über die Theke“. Was nicht jeder weiß: Das Augustinerbier gibt es auch zum Mitnehmen an der Rampe: Sowohl abgefüllt in Flaschen, aber auch stilvoll in Holzfässern zu 15, 25 oder 50 Litern und, wie Herbe lächelnd erwähnt, „zu kundenfreundlichen Zeiten, täglich bis 22 Uhr.“ Die Versorgung der Grillparty ist damit gesichert.
Tradition heißt im Augustiner Bräu nicht nur die Pflege der „Hardware“, sprich der Gebäude, des Gartens.
Mehr noch geht es um die Bier- und Wirtshauskultur, sprich um die „Software“. Zur Pflege der Bierkultur gehört vor allem Zeit: 12 Wochen braucht das Bier, bis es in den Verkauf kommt. Im Lagerkeller bildet sich eine fernperlige, natürlich-milde Kohlensäure, für die das Augustiner Bier berühmt ist. Herbe: „Wir arbeiten mit Gerätschaften, die es anderswo nicht einmal mehr im Museum gibt.“ Das Bier wird nicht durch Pasteurisierung haltbar gemacht, sondern wird so, wie es natürlich entstanden ist, in Holzfässer und Flaschen abgefüllt. Vom Holzfass läuft es direkt in die Steinkrüge, einfach der Schwerkraft folgend. Ganzjährig durchgehend braut man im Augustiner nur ein Bier, das Märzen, aromatisch-würzig und mit eher leichtem Alkoholgehalt. Doch vor rund 20 Jahren wurde sehr erfolgreich noch das Fastenbier eingeführt, das es selbstverständlich nur in der Fastenzeit gibt.
Es ist etwas stärker als das Märzen, aber nicht so alkoholreich wie Bockbier. Und damit kommen wir zum zweiten Punkt, der Wirtshauskultur. Typisch für ein klassisches Wirtshaus sind Stammgäste. Und davon hat das Bräustübl mehr als genug: Rainer Herbe berichtet von 243 Stammtischen. Eine solche gesellige Runde trifft sich mindestens einmal im Monat zu einer fixen Zeit. Für sie ist dann stets ein Platz reserviert, mit Schild und Namen. Ein Kapitel für sich ist der Schmankerlgang – ein Paradies für Genussmenschen. Neun Stände bieten ihre deftigen und süßen Verlockungen an; auch für Vegetarier ist gesorgt.
Zur Tradition des Bräustübls gehört aber auch, dass sich die Besucher ihre Jause selbst mitbringen dürfen. Das Augustiner Bräustübl ist Teil der Salzburger Lebenskultur: Offen für jeden aus jeder Gesellschaftsschicht. Bierbrauen und Bier genießen war stets ein Element der lebensbejahenden Einstellung, die im Augustiner-Kloster nicht nur gelehrt wurde, sondern in Mülln zu spüren ist. Eigentümer des Augustiner Bräu Kloster Mülln sind die Benediktinerabtei Michaelbeuern zu 50 Prozent, sowie zu je 25 Prozent die Privatpersonen Maria Gabriella Barth und Heinrich Dieter Kiener. In zwei Jahren wird das Bräustübl 400 Jahre alt.